7 Eigenschaften deiner Spielanleitung, die neue Spieler lieben werden

In unserer Schreibtipp-Serie “Spielecht Schreiben” geben wir euch praktische Empfehlungen an die Hand, die euch dabei helfen, richtig gute Spielanleitungen zu schreiben.

In dieser Episode legt Michael den Schwerpunkt auf Schreibstil und Hilfsmittel, die dazu beitragen, dass der Einstieg in euer Spiel für neue Spieler reibungslos gelingt.

In zukünftigen Artikeln werden wir euch erklären, wie ihr eure Spielanleitung richtig aufbaut, welche Spielertypen es gibt und wie ihr sie am besten ansprecht.

Los geht’s!

vortragbar#1 Vortragbar: Stell dir vor, du bist Vorleser und alle spielen mit

Schreibe deine Anleitung so, als würdest du sie laut vorlesen.

Das heißt jetzt nicht, dass du laut mitlesen sollst, WÄHREND du die Regeln aufschreibst. Ich meine damit, dass es sinnvoll ist, abgeschlossene Passagen zwischendurch laut vorzulesen und auch das gesamte Werk, wenn du fertig bist. Natürlich gibt es Spielgruppen, in denen sich der/die BesitzerIn des Spiels die Regeln selbständig aneignet, bevor es der Gruppe zum ersten Mal vorgestellt wird. Aber in vielen Runden ist es üblich, die Anleitung eines neuen Spiels gemeinsam durchzugehen, um den Ablauf zu lernen und ggf. vorhandene Lücken oder Grenzfälle abzuklären.

Empfehlungen:

Mit einfachen Satzkonstruktionen und aktiven statt passiven Formulierungen sorgst du dafür, dass die Informationen leichter verstanden werden. Traue dich ruhig, deine Leser dabei direkt anzusprechen. Dies mag nicht überall machbar oder sinnvoll sein, aber gerade bei den Anweisungen zum Spielaufbau ist dies hilfreich.

  • Beispiel: Nehmt alle Karten aus der Schachtel, mischt sie und legt den Stapel mit der Rückseite nach oben auf den Tisch statt Alle Karten werden aus der Schachtel genommen, gemischt und der Stapel mit der Rückseite nach oben auf den Tisch gelegt.

Vermeide lange Sätze mit verschachtelten Einschüben. Mehr als 20 Wörter und eine Relativkonstruktion pro Satz sollten die Ausnahme sein.

  • Negativbeispiel: Legt die Karten, nachdem sie aus der Schachtel genommen und gemischt wurden, so, dass sie für den Spieler, der gerade an der Reihe ist, gut erreichbar sind, mit der Rückseite nach oben auf den Tisch.

unterhaltsam#2 Unterhaltsam: Ein bisschen Spaß darf sein

Wenngleich eine Spielanleitung vom Wesen her einen technisch-beschreibenden Charakter hat, so darf sie trotzdem ruhig auch unterhalten. Schreibstil und Ton müssen nicht staubtrocken sein, sondern sollten zum Thema deines Spiels (und/oder zu dir als AutorIn) passen.

Ich persönlich jedenfalls würde viel lieber eine lustige Bedienungsanleitung zu meinem Rasenmäher lesen als, naja, die tatsächliche Literatur dazu. Eines meiner Lieblingsbeispiele hierzu ist die “Goldene Regel” aus Munchkin, die besagt:

Immer wenn die Karten den Regeln widersprechen, haben die Karten Vorrang! Jede andere Streitigkeit sollte dadurch geregelt werden, dass ihr euch gegenseitig laut anschreit, wobei der Besitzer des Spiels das letzte Wort hat.

Empfehlung: Denke daran, dass sich Informationen, die Unterhaltungswert haben, eher einprägen als durchgehend nüchtern formulierte. Es muss nicht immer der flapsig-freche Stil von Munchkin sein, aber mit etwas Übung findest du sicherlich den passenden Stil für dein Spiel.

#3 Schnell startklar: Verpasse deiner Anleitung den Kickstart

Sie passt nicht zu jedem Spiel, aber wenn sie da ist, ist sie gern gesehen (und wird gelesen): die Schnellstart- oder Kurzanleitung, engl. quick start guide. Falls er für dein Spiel geeignet ist, stellt ein Abschnitt zum Warmwerden mit reduzierten Regeln einen echten Mehrwert für neue Spieler und Erklärbären dar.

Gib ihnen darin einen Überblick über den Spielablauf und die (wichtigsten) Phasen, Aktionen und Möglichkeiten, um das Spiel beeinflussen und das Spielziel erreichen zu können. Je nach Spieltyp kann dies zum Beispiel ein einfaches Auftaktszenario wie in Descent (2. Edition) sein oder ein Einstiegsspiel für 2 Spieler mit reduzierter Komplexität wie in Santorini (in diesem Fall ohne die Verwendung der Götterkarten, die Sonderfähigkeiten ins Spiel bringen).

Schnellstartregeln bieten außerdem zwei weitere Vorteile. Für Interessenten sind sie eine gute Möglichkeit, um einen ersten Eindruck vom Spiel zu bekommen. Daneben sind sie auch sehr praktisch, wenn man nach längerer Spielpause wieder schnell in ein einst vertrautes Spiel hineinfinden möchte. Beispielhaft kann ich hier die Schnellstartregeln zum X-Wing: Miniaturenspiel nennen.

Empfehlung: Versuche, den Schnelleinstieg als “Pitch” deines kompletten Spiels zu sehen, in dessen Rahmen die Spieler alles Wesentliche lernen können, das sie benötigen, um das Spiel zu verstehen und loslegen zu können.

schnellablesbar#4 Schnell ablesbar: Schummeln erlaubt!

Da wir beim Thema Hilfsmittel sind: Bei Spielen, die komplexere Spielabläufe haben oder eine Auswahl aus mehreren Optionen und Aktionen anbieten, zwischen denen die Spieler entscheiden können, bietet sich eine Regelzusammenfassung an, engl. player aid, reference sheet oder cheat sheet. Damit muss man sich nicht alles merken.

Vielspieler verinnerlichen erfahrungsgemäß auch komplexere Regeln schneller. Aber gerade für neue und Wenigspieler erleichtert eine Hilfestellung den Einstieg enorm. Das Cheat Sheet kann dabei unterschiedlich ausgeführt sein. Entweder als Teil der Spielanleitung (praktischerweise die letzte Seite, damit man nicht blättern muss), ein separates Blatt, Text auf einer Karte oder ein eigenes Papp-Tableau (s. Abbildung).

Beispiel: Cheat Sheet in Clans of Caledonia

Empfehlung: Egal, wie du das Schummelblatt umsetzt, achte darauf, dass alle nachlesbaren Informationen möglichst auf eine Seite bzw. auf ein Medium passen. So gewährleistest du, dass Mitspieler keine Schlüsse daraus ziehen können, was der nachlesende Spieler vorhat. Beispielsweise ist es ungünstig, auf der Vorderseite einer Karte die Regeln für den “Hinterhältigen Angriff” und auf der Rückseite die für das “Handeln mit Nachbarn” abzubilden.

reichbebildert#5 Reich bebildert: Denn sie können mehr sagen als 1.000 Worte

Studien zufolge ist unser Gehirn auf die Verarbeitung von visuellen Informationen spezialisiert. Also: Gib ihm den Stoff!

Aus eigener Erfahrung können Spieler recht lesefaul sein, wenn es um das Erlernen neuer Regeln geht. Ich kenne niemanden, der vor Freude im Dreieck springt und jubelt: “Hammer, nur Text und keine doofen Bilder!”

Das Mindeste, was du grafisch auf jeden Fall darstellen (lassen) solltest, ist das enthaltene Spielmaterial und das Spielbrett, falls vorhanden. Für einfache abstrakte Spiele und Kartenspiele reicht dies meist schon aus. (Und wenn es allein dem Zweck dient, schnell zu prüfen, ob das Spielmaterial vollständig ist.) Die Regeln für Schach etwa kommen mit der Abbildung der Figuren und der schematischen Darstellung der Zugmöglichkeiten völlig aus (s. Abbildung).

(c) Nadema GmbH

Beispiel: Abbildungen für Schachspiel

Ansonsten gilt: Je mehr Grafik, umso besser. Wenn es dir möglich ist, das tatsächliche Spielmaterial in Beispielsituationen darzustellen oder mit Diagrammen und anderen grafischen Elementen zu versehen, dann solltest du das tun. Auch begleitende Grafik- und Designelemente, die an das Thema des Spiels angelehnt sind, haben nicht nur ästhetische Wirkung. Sie laden Spieler auch dazu ein, in deine Spielwelt einzutauchen.

Empfehlung: Streue so viel Visuelles ein wie möglich. Das wertet eine Anleitung deutlich auf und trägt viel zum besseren Verständnis bei.

beispielhaft#6 Beispielhaft: Geize nicht mit Erläuterungen

Beispiele und zusätzliche Erläuterungen sind ein sehr geeignetes Mittel, um einzelne Regelkonzepte zu veranschaulichen und das Risiko zu verringern, dass es beim Lernen zu Missverständnissen und fragenden Gesichtern kommt. Bedenke: Spieler können dazu neigen, die Regeln im Sinne ihrer vermeintlichen Gewinnstrategie zu interpretieren 😉

Sorge daher dafür, dass deine Spielanleitung keine Lücken enthält und der Interpretationsspielraum für die beschriebenen Mechaniken, Ereignisse und Effekte so klein wie möglich bleibt, ja idealerweise gar nicht vorhanden ist. Optimalerweise kombinierst du dies mit Abbildungen.

Empfehlung: Schreibe zu Beginn lieber zu viele Beispiele auf als zu wenige. Kürze nach ein paar Testläufen gegebenenfalls, wenn du merkst, dass die Testspieler auch ohne diese oder jene Erläuterung klar kommen.

korrekt#7 Korrekt: Lass andere deine Anleitung Korrektur lesen

Du musst nicht gleich ein professionelles Lektorat beauftragen (zwinker, zwinker) – aber du kennst bestimmt jemanden, der gerne (und gründlich) liest und mit der neuen deutschen Rechtschreibung vertraut ist. Nennt es bei mir ruhig Berufskrankheit, aber tatsächlich trübt für mich eine mit Tippfehlern gespickte Anleitung die Freude am Regeln lesen.

Es schadet daher nie, ein zweites und drittes Paar Augen über eure Texte fliegen zu lassen – je mehr umso besser. Auch als ausgeschlafener Autor ist man nicht immer vor dem Fehlerteufel gefeit, der einen schon mal etwas betriebsblind machen kann.

Dabei geht es nicht nur um die Korrektur von formalen Dingen wie Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik. Du selbst kennst deine Regeln natürlich am besten und hast dieses enorme implizite Wissen über dein Spiel, das alle anderen nicht haben. Es geht hierbei also auch darum, prüfen zu lassen, ob deine Regeln dieses Wissen sinnvoll wiedergeben. Das erfährst du nur, indem du sie anderen Personen, die dein Spiel nicht kennen, zum Gegenlesen vorlegst.

Empfehlung gegen Betriebsblindheit: Lass deine Anleitung zwischendurch einen Tag oder zwei liegen. Lese sie dann rückwärts, d.h. abschnittweise von hinten nach vorne. Dabei können auch mal Stellen ins Auge springen, die einem durch die gewohnte Leserichtung bis dahin verborgen geblieben sind.

Fazit

Wenn du eine Spielanleitung schreibst, versuche den Einstieg für neue Spieler so leicht wie möglich zu machen. Mit diesen Empfehlungen im Hinterkopf sorgst du garantiert dafür, dass der Zugang zu deinem Spiel gelingt, Regeln schnell verinnerlicht (oder schnell erspickt) werden können und die Spielgruppe beherzt losspielen kann.

In diesem Sinne: Gutes Texten!

Michael

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